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23.07.2018 Natürlich nach oben Die Spielgemeinschaft Hachinger Tal hat für den Münchner Handball große Ziele. Zunächst aber steht eine Bayernligasaison bevor. Wenn man vom Münchner Handball redet, landet man schnell beim TSV Milbertshofen. Dem letzten Klub, der in der Landeshauptstadt große Erfolge feierte, ehe er 1993 per Konkurs von der Handball-Landkarte getilgt wurde. Auch Henning Fritz kommt schnell auf den ehemaligen Europapokalsieger zu sprechen. Denn der Weltmeister hat ein Interesse daran, hochklassigen Handball in München zu reanimieren. Wie das kam, kann Markus Geray erklären, er ist Abteilungsleiter der Handballer des SV-DJK Taufkirchen, die zusammen mit den Handballern des TSV Unterhaching die Spielgemeinschaft Hachinger Tal München bilden, die fortan in der Bayernliga zu Werke gehen wird. Vor fünf Jahren bereitete sich die deutsche Junioren-Nationalmannschaft in Taufkirchen auf die WM vor - Torwarttrainer war der ehemalige Welttorhüter und Weltmeister Hennig Fritz. So kam man ins Gespräch, erzählt Geray, der eine Rechtsanwaltskanzlei in Taufkirchen hat. Mittlerweile ist Henning Fritz Partner der Internetplattform sportheon, die unter anderem Trainingsinhalte für Handballteams erstellt und von Geray betrieben wird. Eine Stadt wie München, so erklärt Fritz, biete beste Möglichkeiten für eine Renaissance des Sports, zumal die Bundesliga wie der Deutsche Handballbund (DHB) dies ausdrücklich begrüßen würden. Es ist ja auch nicht die erste Initiative, den Handball im Raum München wieder in den professionellen Bereich zu entwickeln, gelungen ist es bislang nicht. Kürzlich ist der Versuch gescheitert, ein bayerisches Handballleistungszentrum in Erding zu errichten. Kurz vor der Aufstellung des Bebauungsplanes kam dem Projekt der Investor abhanden, Oberbürgermeister Max Gotz zog den Beschluss verärgert zurück. Und es ist auch keine neue Idee, dass zwei Nachbarklubs ihre Kräfte bündeln, um sportlich etwas zu bewegen. Dass die Kooperation von Unterhaching und Taufkirchen, die im Jugendbereich seit einem Jahr erfolgreich läuft, nun ein bisschen mehr Aufsehen erregt, ist zuvorderst dem Namen Henning Fritz und einer Personalie zu verdanken: Richard Wöss kommt vom Zweitligisten TUSEM Essen, ein Zugang, den man durchaus als spektakulär bezeichnen darf. Denn Wöss ist Profi, er war torgefährlicher Stammspieler beim Zweitligisten und vor nicht allzu langer Zeit noch österreichischer Nationalspieler. Zudem ist er mit 31 Jahren keineswegs über seinen Zenit hinaus. Für die vierte Liga ist ein solcher Spieler allemal außergewöhnlich. Und er steht beispielhaft für das Prinzip der Spielgemeinschaft: Profis im Herbst ihrer Schaffenskraft an den beliebten Standort München zu locken, nicht mit Geld, sondern einer beruflichen Perspektive. Wie bei Wöss, der auch beim TuS Fürstenfeldbruck als Zugang im Gespräch war. Als diese Gespräche scheiterten, so erzählt Henning Fritz, habe er Kontakt zu dem Österreicher aufgenommen. Klar war, dass Wöss nach München ziehen wird, denn sein Sohn wurde in die Jugendakademie der Bayern-Fußballer aufgenommen, zudem wollte sich Wöss beruflich verändern und ist in München seiner Heimat Wien deutlich näher gekommen. Geray hat ihm nun einen Job verschafft, stellt gleichwohl klar, dass »wir weder den Spieler den Bruckern abgeworben haben, noch Geld zahlen«. Geray ist bestens im Handball vernetzt, und er weiß die Situation realistisch einzuschätzen. »Wenn man sich keine Ziele setzt, dann braucht man so etwas gar nicht anzugehen«, sagt er, von einem Zeitfenster will er aber nicht sprechen. Zunächst gelte es, die Spielgemeinschaft mit Leben zu füllen und die Männermannschaft in der Bayernliga zu etablieren. Aufstieg? Sicher, sagt Geray, man wolle schon nach oben, aber »ob das gelingt und wann und wie«, das werde sich zeigen. Auch Henning Fritz geht das Projekt mit einer gesunden Portion Realismus an, er will »den gesamten Handball in und um München stärken«. Ein Solitär in der Bundesliga ohne Umfeld und Konkurrenz sei nicht erstrebenswert. Auch der Welthandballer weiß, dass es »fraglich ist, in welcher Zeit das gelingt«, er aber werde versuchen, »Sponsoren und wichtige Menschen von diesem spannenden Projekt zu überzeugen«. Wobei der Weltmeister von 2007 natürlich weiß, dass sein Name »eine entsprechende Glaubwürdigkeit« mit sich bringe. Erstes Ziel der Spielgemeinschaft HT München ist es, eine gute Saison zu spielen. Neben Wöss soll das zum Großteil die Unterhachinger Mannschaft der Vorsaison bewerkstelligen, angeleitet von Christian Sorger, der Trainer bleibt. Sorger kann auf vier weitere Zugänge bauen, freilich keiner von Wöss Kaliber. In Olaf Neumann kommt vom Absteiger Ismaning ein gestandener Bayernliga-Spielgestalter, vom Landesligisten ASV Dachau Torhüter David Braun, der wurfstarke Rückraumspieler Christian Lieb wechselt vom Bezirksoberligisten Blumenau und Talent Christian Schäfer kehrt vom Jugend-Bundesligisten HC Erlangen zurück. Wichtig ist auch, dass alle Leistungsträger bleiben, wie Sorger sagt, er befehlige so »eine sehr gute Mischung«. Im vergangenen Jahr hätten die Talente zahlenmäßig überwogen, was große Leistungsschwankungen mit sich gebracht habe, nun sei im Team »die Altersstruktur geschlossen«. Routiniers wie Christian Borschel oder Martin Dauhrer sollen zusammen mit Wöss eine »brutal junge Mannschaft führen«, wie Sorger erklärt, in der reichlich Potenzial schlummere. Mehr als sie in der vergangenen Saison zeigen konnte, da war bekanntlich der Klassenerhalt zwischenzeitlich in Gefahr geraten, nun aber will das Team aus dem Hachinger Tal eine andere Geschichte schreiben. Sorger glaubt, dass es in »den nächsten zwei, drei Jahren nach oben geht«, er favorisiere dabei den »natürlichen Weg« - mit der Entwicklung eigene Talente. Eine zusammengekaufte Mannschaft würde das Projekt »ein bissel entfremden«, gibt Sorger zu bedenken, »das Ganze lebt schon von seinen Wurzeln.« Den ein oder anderen Akteur vom Format eines Richard Wöss würde er aber nicht ablehnen. Ein gutes Beispiel sei der lokale Konkurrent aus Fürstenfeldbruck, von dem Sorger mit großem Respekt spricht. TuS-Trainer Martin Wild habe aus vielen eigenen Talenten ein Drittligateam geformt, das zwischenzeitlich sogar im Titelkampf mitzumischen wusste. »Ich finde den Brucker Weg beeindruckend«, sagt Sorger, »die haben aus den Spielen richtige Events gemacht. Wenn du es schaffst, 1000 Leute in die Halle zu locken, dann ist das eine absolute Leistung. Es ist leicht Spieler zu holen, aber eine Halle voll zu machen, ist das höchste Gut.« Und primäres Ziel der Spielgemeinschaft, wie Sorger unterstreicht. Henning Fritz wird weiter viel reden über den Standort München und seinen Sport in der Stadt. Und vielleicht ist die Vergangenheit des TSV Milbertshofen bald nicht mehr erstes Thema. Quelle: Süddeutsche Zeitung Weiterführender Link dazu: https://www.sueddeutsche.de/muenchen/sport/handball-natuerlich-nach-oben-1.4063828 |